Tschechische Eisenbahnen bauen Arbeitsplätze und Schulden ab

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Im heutigen Wirtschaftsmagazin macht Sie Lothar Martin mit den neuesten Entwicklungen bei den Tschechischen Eisenbahnen - Ceské drahy (CD) vertraut.

Foto: Jana Sustova
Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde über die Tschechischen Eisenbahnen berichtet, es sei ein staatlich bezuschusstes Fass ohne Boden, ein Unternehmen, das nicht in der Lage sei, seine Rechnungen zu bezahlen, kurz: eine unrentable Institution, in der Misswirtschaft und Geldverschwendung an der Tagesordnung sind. Höhepunkt der Negativ-Schlagzeilen war die seinerzeit von den Tschechischen Energie-Werken (CEZ) angekündigte Drohung, der Generaldirektion von Ceské drahy den Strom abzustellen, da entsprechende Stromrechnungen zuvor eine zeitlang nicht beglichen worden waren. Heute aber ist es vergleichsweise still geworden um die tschechische Partnergesellschaft der Deutschen Bahn AG und der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Sicher auch deshalb, weil ein wichtiger Schritt im Konzept der strukturellen Reformen inzwischen vollzogen wurde. Um welchen Schritt es sich dabei handelt, das erläutert uns der Pressesprecher der Tschechischen Eisenbahnen, Petr Stahlavsky:

"Die Tschechischen Eisenbahnen sind gegenwärtig eine Aktiengesellschaft, d. h. dem Gesetz nach sind sie ein Privatunternehmen, auch wenn der tschechische Staat weiterhin der 100-prozentige Aktieneigner ist. Die Tschechischen Eisenbahnen durchlaufen nach wie vor einen gewissen Prozess ihrer Transformation. Die sehr bedeutende erste Etappe haben wir hinter uns. Während dieser Etappe wurde der ursprüngliche Staatsbetrieb in zwei Unternehmen aufgeteilt. Zum einen in die Verwaltung der Eisenbahnverkehrswege (SZDC), die weiterhin eine staatliche Firma ist und der nunmehr der Bereich der Eisenbahn-Infrastruktur obliegt. Und zum anderen sind es die in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Tschechischen Eisenbahnen, die für den Betrieb der Eisenbahnzüge verantwortlich zeichnen. Das bedeutet, der Eisenbahnverwaltung gehört jetzt das gesamte für den Zugverkehr ausgebaute Schienennetz, während die Gesellschaft Ceské drahy im Besitz der mobilen Werte, d. h. der Lokomotiven und Eisenbahnwaggons ist. Unser Ziel ist es, die Aktiengesellschaft in eine Holding umzuwandeln, so wie das zum Beispiel in Deutschland mit der Deutschen Bahn geschehen ist."

Foto: Jana Sustova
Als heutige Aktiengesellschaft haben die Tschechischen Eisenbahnen ihre Finanzen inzwischen in den Griff bekommen, auch wenn sie nach wie vor rote Zahlen schreiben. Doch der jährlich ausgewiesene Verlust hält sich mittlerweile in Grenzen, erklärt Petr Stahlavsky:

"Nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft haben die Tschechischen Eisenbahnen ihre Verluste merklich senken können. Als staatliche Organisation, die sowohl das Gleisnetz als auch die Züge in Betrieb zu halten hatte, wurde jährlich ein Verlust von vier Milliarden Kronen und mehr verbucht. Als Aktiengesellschaft aber haben wir im vergangenen Jahr nur rund eine Milliarde Kronen Verlust gemacht, und in diesem Jahr wird er mit ca. einer Dreiviertelmilliarde Kronen wohl noch niedriger ausfallen. Es handelt sich dabei um einen buchhalterischen und nicht um einen finanziellen Verlust. Die Tschechische Eisenbahnen zahlen heute all ihre Verbindlichkeiten, also die Kosten für Energie, Lohn, Dienstleistungen und dergleichen mehr. Mit anderen Worten: Beim Cashflow macht die Gesellschaft Ceské drahy mit dem Zugbetrieb bereits Gewinn, weil der Verlust wie gesagt nur in buchhalterischer Hinsicht besteht. Jedes Jahr reduzieren wir die Anzahl unserer Beschäftigten im Rahmen der Transformation um vier- bis sechstausend Arbeitnehmer, da wir weiterhin verstärkt die neueste Technik einführen, zum Beispiel die ferngesteuerte Sicherung der Gleisanlagen."

Foto: Jana Sustova
Petr Stahlavsky hat es bereits erwähnt: Jedes Jahr bauen die Tschechischen Eisenbahnen vier- bis sechstausend Arbeitsplätze ab. Das hatte zur Folge, dass im diesjährigen Jahr 2004 nur noch rund 73.000 Arbeitnehmer bei der Bahn beschäftigt wurden. Im Vergleich dazu waren es im Nachwendejahr 1990 noch über 90.000 Eisenbahner mehr, die beim damaligen Staatsbetrieb Ceské drahy angestellt waren. Und bis zum Jahr 2008 sollen weitere 17.000 Beschäftigte die heutige Aktiengesellschaft verlassen. Da ergibt sich zwangsläufig die Frage: Wohin soll das noch führen? Wo ist die derzeit unterste Grenze bei der Anzahl der für Ceské drahy arbeitenden Eisenbahner erreicht? Petr Stahlavsky sagte dazu:

"Als ein für die Tschechischen Bahnen vergleichbares Unternehmen können die Österreichischen Bundesbahnen herangezogen werden, denn die von beiden Gesellschaften erbrachten Leistungen sind in etwa gleich, auch wenn man sagen muss, dass die Anzahl der von den ÖBB beförderten Fahrgäste höher ist als bei uns. Die Österreichischen Bundesbahnen beschäftigen derzeit rund 20.000 Arbeitnehmer weniger als wir, so dass man daraus ableiten kann, dass auch die Tschechischen Bahnen einmal ca. 50.000 Beschäftigte haben werden."

Foto: Jana Sustova
Petr Stahlavsky lässt jedoch im weiteren Verlauf unseres Gesprächs keinen Zweifel daran, dass diese Zahl keinesfalls endgültig ist, denn niemand könne zum jetzigen Zeitpunkt genau voraussehen, was alles noch dank der fortschreitenden technischen und technologischen Entwicklung möglich ist. Daher legt man bei Ceske drahy gegenwärtig auch ein großes Augenmaß auf die weitere Senkung der Betriebskosten, zumal die Kosten zur Nutzung des tschechischen Eisenbahngleisnetzes immer noch wesentlich höher liegen als zum Beispiel in den westlichen Nachbarländern Deutschland und Österreich. Mit den Bahnen dieser beiden Länder will man auch immer nachhaltiger ins Geschäft kommen. Dabei sollen neben den bereits im bilateralen Grenzgebiet angebotenen Fahrpreisermäßigungen auch weitere sich ständig verbessernde gemeinsame Dienstleistungen angeboten werden. Zu diesen Leistungen gehört auch der bereits für den aktuellen Fahrplan vorgesehene Betrieb des Hochgeschwindigkeitszuges Pendolino, dank dem sich die Fahrzeit auf der Strecke zwischen Berlin, Prag und Wien noch mehr verringern soll. Wie wir bereits berichtet haben, ist es jedoch bei der Erprobung dieses Zuges auf dem tschechischen Gleisnetz zu Komplikationen gekommen, die den fahrplanmäßigen Einsatz des Pendolinos bis auf weiteres verschoben haben. Zur aktuellen Situation in Sachen Pendolino äußerte Petr Stahlavsky:

"Gegenwärtig verfügt die Tschechische Republik über drei Wagenzüge des von der italienischen Firma Alstom hergestellten Zuges Pendolino. Er ist mit einer für kurvenreiche Strecken ausgelegten Neigetechnik versehen, doch leider haben die von Alstom produzierten Züge bisher noch nicht die für den Betrieb in Tschechien geltenden Normen in vollem Umfang erfüllt. Deshalb müssen derzeit einige detaillierte Veränderungen am Pendolino vorgenommen werden und Alstom hat die Aufgabe, die Erfüllung dieser Normen bis Mitte des Jahres 2005 zu gewährleisten. Nur dann wird es möglich sein, die Pendolino-Züge in Absprache mit unseren Partnern in Deutschland, Österreich und der Slowakei mit dem Fahrplanwechsel 2005/2006 in Betrieb zu nehmen."

Die italienische Firma Alstom hat für das "verlorene Jahr" einen Schadensersatz in Millionenhöhe an die Tschechischen Eisenbahnen zu zahlen, doch konkrete Zahlen würden dazu nicht veröffentlicht, sagte Stahlavsky. Dafür gab mir der CD-Pressesprecher zum Abschluss unseres längeren Gesprächs noch einen kleinen Tipp für alle Eisenbahnfans aus Deutschland mit auf den Weg, die den Pendolino schon einmal ausprobieren wollen. Weil dieser Hochgeschwindigkeitszug derzeit auf der Strecke zwischen Prag und Decin/Tetschen je einmal täglich im Probebetrieb verkehrt und der Fahrpreis dabei zum Tarif eines tschechischen Schnellzuges angeboten wird, sollte sich eine Fahrt entlang des Elbe- und des Moldautals nämlich gerade jetzt besonders lohnen. Petr Stahlavsky empfiehlt daher:

Foto: Jana Sustova
"Wenn zum Beispiel Besucher aus Deutschland, vornehmlich jene aus dem Raum Sachsen bzw. den nördlich der tschechischen Grenze gelegenen Gebieten nach Prag reisen möchten und sie darüber hinaus zu den Eisenbahnfans zählen, die den Pendolino kennen lernen wollen, dann können sie sich in Decin eine Hin- und Rückfahrtkarte nach Prag für ganze 180 Kronen kaufen. Diese Fahrkarte hat eine Gültigkeit von zwei Tagen, was bedeutet: Wenn jemand zum Beispiel am Samstag nach Prag reisen will, dann kann er den 13.57 Uhr ab Decin fahrenden Pendolino dazu nutzen. In Prag kann er dann den restlichen Nachmittag und den ganzen Abend verbringen, hier übernachten und am nächsten Tag mit dem Pendolino ab 10.26 Uhr nach Decin zurückreisen. Von dort aus kann er seine Rückreise in die Bundesrepublik Deutschland fortsetzen."

Verbleibt uns nur noch, allen mit den Tschechischen Bahnen Reisenden eine allzeit gute Fahrt, und Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, in diesem Sinne auch einen guten Rutsch ins neue Jahr 2005 zu wünschen.

Foto: Jana Sustova