Wie schnell will Tschechien raus aus der Kohle?

Foto: Herbert Aust, Pixabay / CC0

: Auch die Regierung in Prag unterstützt das selbstgesteckte Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden. Klar ist, dass man dazu hierzulande aus der Kohle aussteigen will. Eine Kommission diskutiert derzeit mehrere Szenarien, wie schnell dies geschehen kann. Die wichtigste Frage ist jedoch: Wodurch soll die Kohle in Tschechien ersetzt werden?

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In Deutschland sind die Pläne klar: Die Energiewende bedeutet, aus allen fossilen Brennstoffen auszusteigen, inklusive Uran. Bis 2038 sollen keine Kohlekraftwerke mehr laufen.

In Tschechien wird immer noch knapp die Hälfte der Energie aus Kohle gewonnen. Viele der Anlagen sind allerdings veraltet. Wissenschaftler schätzen, dass jährlich 1700 Menschen wegen der Emissionen aus den Kohlekraftwerken vorzeitig sterben. Umweltorganisationen fordern daher, die Laufzeiten solcher Anlagen nicht mehr zu verlängern.

Die Regierung ist jedoch bisher zögerlich. Sie hat eine Kommission für den Kohleausstieg eingesetzt. Diese hat vergangene Woche erst einmal allgemein gesagt, dass drei Szenarien vorstellbar wären. Ein schneller Ausstieg, ein mittelschneller und ein langsamer. Oder in Zahlen: 2035, 2040 oder 2045. Bis September möchte die Kommission jeweils die drei Szenarien ausgearbeitet haben. Und spätestens Ende des Jahres will die Regierung eine Entscheidung treffen. Dazu Umweltminister Richard Brabec (Partei Ano) bei einer Talkrunde im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen:

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„Ja, ich sage, dass das Ende der Kohle eingeläutet ist. Welches das Datum für den Ausstieg sein wird, dazu sind gerade die drei Szenarien entscheidend. Jede Variante wird konkrete Folgen haben für die jeweiligen Regionen im Land, für die Energiepreise und vor allem für die Eigenversorgung Tschechiens mit Energie. Wir wollen nicht abhängig werden von einem möglichen Import von Strom. Außerdem sind mehrere Millionen Menschen darauf angewiesen, dass die Heizkraftwerke laufen.“

Warten auf den Ausbau der Kernkraft

Deswegen geht es in der Diskussion über das Ausstiegsszenario darum, wie die Kohle ersetzt werden kann. Prinzipiell bevorzugt die tschechische Politik, und das betrifft sowohl die Regierung als auch alle Oppositionsparteien, den Ausbau der Kernkraft. Man möchte im Akw Dukovany einen neuen Reaktorblock bauen. Noch einmal Minister Brabec:

Richard Brabec  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
„Wenn wir uns heute ganz wunderbar entscheiden würden, bis 2030 vielleicht die Braunkohlekraftwerke zu schließen, dann wäre ein Drittel des Stromverbrauchs in Tschechien nicht mehr gedeckt. Das geht aus den vorläufigen Berechnungen der Kohlekommission hervor. Es muss also einen Ersatz geben. Dazu kommt, dass es vielleicht nicht mehr so leicht sein wird, Strom zu importieren. Und bis 2030 wird mit Sicherheit noch kein neuer atomarer Reaktorblock gebaut sein.“

Dieser kann den Berechnungen nach nämlich frühestens 2036 stehen. Und bisher ist die Finanzierung des Baus noch überhaupt nicht klar.

Was ist also mit den erneuerbaren Energien? Dazu hat sich die tschechische Regierung ebenfalls in der vergangenen Woche ein Ziel gesetzt. Es ist weniger ambitioniert, als von Brüssel gefordert. Industrie- und Handelsminister Karel Havlíček (parteilos) stellte den Beschluss nach der Kabinettssitzung den Journalisten vor:

Karel Havlíček  (Foto: ČTK / Luděk Peřina)
„Man muss sagen, dass wir nicht der Empfehlung der Europäischen Kommission gefolgt sind. Diese hatte bis 2030 einen Anteil von 23 Prozent erneuerbarer Energie am Mix empfohlen. Nur zur Erläuterung: Dieses Jahr werden wir hierzulande 15,6 Prozent Anteil erreichen. Wir haben uns daher für einen Kompromiss entschieden. Und zwar sollen es 22 Prozent im Jahr 2030 sein. Denn jeder Prozentpunkt mehr kostet 30 Milliarden tschechische Kronen (1,2 Milliarden Euro, Anm. d. Red.) zusätzlich. Im Übrigen bedeutet der Anteil am Energiemix, dass darunter sowohl die Stromproduktion, als auch Heizung und Verkehr fallen.“

Umweltschützer allerdings halten die tschechische Regierung für viel zu zögerlich. Schon seit vielen Jahren verweisen sie darauf, dass Tschechien einer der größten Netto-Stromexporteure der Welt ist. Die Ausfuhrmenge lag im vorvergangenen Jahr bei knapp 14 Terrawattstunden.

Jiří Koželouh  (Foto: Archiv Hnutí duha)
„Wir könnten direkt ein Drittel der Kohlekraftwerke abstellen, wenn wir den Strom nicht exportieren würden“, behauptet Jiří Koželuh, Fachmann für Energie bei Hnutí duha (Bewegung Regenbogen), dem größten tschechischen Umweltverband.

Im Übrigen sind die Nachbarländer Slowakei und Österreich die größten Abnehmer von elektrischem Strom aus Tschechien. Aber Hnutí duha fordert auch insgesamt einen schnelleren Kohleausstieg. Dafür müsste man in Prag auf die Erneuerbaren setzen anstatt auf neue Reaktorblöcke. Dazu Koželuh in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

„Im vergangenen Jahr haben wir zusammen mit Vertretern des progressiveren Teils von Energieunternehmen eine Studie erstellen lassen. Da ging es darum, ob Tschechien auch beim Blick auf Halbstundenintervalle in der Stromversorgung bis 2030 ohne Kohlekraftwerke auskommen könnte. Das Ergebnis lautet: Es ist möglich, wenn in regenerative Energiequellen investiert und das Stromnetz dementsprechend ausgebaut wird.“

Misslungene Solarförderung

Solarpark Bystřice pod Hostýnem  (Foto: Pavel Ševela,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
Allerdings leidet Tschechien unter einem Problem. In den Jahren 2009 und 2010 war das Land völlig unvorbereitet auf den einsetzenden Solarboom. Die staatlichen Förderungen waren viel zu generös eingestellt, sodass Investoren bis heute unglaublichen Profit machen mit großen Solarparks. Das hat hierzulande in Politik und Bevölkerung starke Vorbehalte geschürt gegenüber erneuerbaren Energien allgemein. Umweltminister Brabec rechnete die Kosten vergangene Woche vor:

„Allein für die Solarkraftwerke zahlen wir jährlich 27 Milliarden Kronen aus der Staatskasse. Hinzu kommen 20 Milliarden Kronen, die die Verbraucher an Gebühren für die Erneuerbaren entrichten. Und dies wird noch zehn Jahre so weitergehen.“

Insgesamt also verschlingt die überdimensionierte Solarförderung in Tschechien jährlich 47 Milliarden Kronen, das sind umgerechnet 1,88 Milliarden Euro.

Foto: Jiří Komárek,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0
Bisher hat die Regierung daher auch noch kein neues Förderprogramm aufgelegt für Solarparks. Unterstützt werden nur kleine Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Und Windenergie wurde seit 2013 nicht mehr gefördert. Deswegen sind seitdem praktisch keine neuen Anlagen installiert worden. Erst seit vergangenem Jahr läuft wieder eine Ausschreibung für Erneuerbare, die sich auch auf Windräder bezieht.

Die Frage ist: Will die tschechische Politik wirklich auf den Ausbau der Atomenergie warten, bis die Kohlekraftwerke abgeschaltet werden? Umweltschützer Koželuh jedenfalls rät, nicht die Zahlen aus Brüssel zum Maß zu machen, sondern loszulegen mit den Erneuerbaren:

„Wichtiger ist, dass man sich an den Möglichkeiten hier im Land orientiert. Man sollte gerade die dezentrale Energiegewinnung fördern, also den Gemeinden und Privathaushalten helfen. Denn das bietet auch Gelegenheiten für die Unternehmen im Land. So kann zugleich die Luftverschmutzung gesenkt werden. Es geht nicht darum, ob jemand einen höheren Prozentanteil will.“

Laut den Umweltschützern liegt das Potenzial für Erneuerbare hierzulande jedenfalls deutlich höher, als dies die Regierung in ihren Plan für die Zeit bis 2030 hat einfließen lassen.

Autor: Till Janzer
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